Greifvögel & Falken
Bei den heimischen Greifvögeln handelt es sich um eine vielfältige Gruppe von kleinen bis mittelgroßen, tagaktiven Wirbeltier- und Insektenjägern. Ihre Beute ergreifen sie mit ihren dafür besonders ausgestalteten Füßen, den Fängen. Die sogenannten „Grifftöter“ töten ihre Beute bereits während sie sie mit ihren langen, spitzen und gekrümmten Krallen ergreifen.
Die Falken, die nicht zu dieser Gruppe gehören, haben zu schwache Beine und müssen ihre Beute mit dem Schnabel töten. Sie werden auch als „Bisstöter“ bezeichnet. Eigens dafür haben sie eine scharfe Ausbuchtung am Oberschnabel, den sogenannten Falkenzahn, entwickelt.
Die Insektenfresser unter den Greifen sind Zugvögel, die sich zum Überwintern in Afrika oder im Mittelmeergebiet einfinden. Tiere aus nördlicheren Populationen weichen in wintermildere Gebiete aus. In der offenen Kulturlandschaft Deutschlands überwintern regelmäßig Raufußbussard, Merlin und Mäusebussard.
Aussehen
Der Kopf der Greifvögel ist im Verhältnis zum Körper relativ groß und rund. Greifvögel haben sehr scharfäugige, nach vorne gerichtete Augen, mit denen sie ihre Beute schon aus großer Flughöhe zielgerichtet fixieren und im Sturzflug ergreifen können. Die Augen werden besonders durch einen über die Augenhöhle reichenden Knochen, die sogenannte Supraorbitale, geschützt, die allen anderen Vogelordnungen und dem Wespenbussard fehlt.
Bei allen Greifvögeln ist die Schnabelbasis mit einer weichen Wachshaut bedeckt, die bis über die Nasenlöcher reicht. Der Schnabel selbst ist aus einem sehr harten Hornmaterial, glatt und scharfrandig.
Greifvögel haben ein gut ausgebildetes Gehör mit einer Öffnung, zu der Schallwellen über einen Gesichts-Federschleier geleitet werden.
Die Jungen der Greifvögel sind Nesthocker, die zwei verschiedene, aufeinanderfolgende Dunenkleider tragen. Bei Greifen sind die Federn an den Außenseiten der Unterschenkel oft verlängert, was auch als „Hosenbildung“ bezeichnet wird. Sie mausern ihr Großgefieder über einen langen Zeitraum, so dass sie in ihrer Flugleistung zu keiner Zeit eine beeinträchtigt sind.
Jungvögel von Wanderfalken und Fischadlern haben längere und breitere Kontur-, Steuer- und Schwungfedern als erwachsene Vögel. Deswegen können sie sehr spezielle Flugmanöver, die sie zum Beutefang benötigen, mit ihrem noch nicht voll leistungsfähigem Flugapparat leichter erlernen.
Die Größe der heimischen Greife variiert erheblich. Das Baumfalken-Männchen gehört mit 175 g Gewicht zu den leichtesten Vertretern der Greifvögel, während das Steinadlerweibchen 6,5 kg schwer ist. Weltweit gesehen liegt die größte Gewichtsspanne zwischen dem kleinsten Zwergfalken mit 45 g und einigen Geierarten mit 10 kg.
Die weiblichen Greifvögel sind meist größer als die Männchen und bei manchen Arten anders gezeichnet. Beispielsweise hat das Weibchen des Turmfalken einen braunen Kopf und einen braunen, quergebänderten Schwanz, Kopf und Schwanz des Männchens sind dagegen grau, der Schwanz hat nur angedeutete Querbinden. Die Männchen einiger Arten erreichen gerade mal 60 Prozent des Körpergewichts der Weibchen. Die Tiere, die aus dem Norden kommen, sind meist größer und haben oft auch ein helleres Gefieder als ihre mitteleuropäischen Artgenossen.
Der Fischadler fällt mit einigen Merkmalen in der Reihe der Greifvögel auf. Dornig bewehrte Zehenballen verhindern, dass die Beute aus den Fängen entweicht. Außerdem fehlen ihm die Federhosen an den Beinen, die beim Beutefang hinderlich wären. Der Fischadler hat eine sogenannte Wendezehe, die er nach hinten wenden und die ihm dadurch wertvolle Hilfe beim Festhalten der glitschigen Fischbeute leisten kann.
Fortpflanzung
Einige Arten sind Bodenbrüter wie etwa die Weihen, die aufgrund der dort lauernden, vielfältigen Gefahren und des Lebensraumverlusts sehr selten geworden sind (s. Wiesen-, Korn- und Rohrweihe).
Die Jungvögel sind Nesthocker und brauchen lange Zeit, um sich zu entwickeln. Auch wenn sie schon ausgeflogen sind, werden sie noch über mehrere Wochen von den Elternvögeln betreut, teilweise auch angelernt.
Große Arten haben, wenn sie die ersten Jahre überstanden haben, eine hohe Lebenserwartung. Erst nach mehreren Jahren werden sie geschlechtsreif und brüten vergleichsweise wenige Eier aus. Da Greifvögel große Legeabstände zwischen den Eiern lassen und erst nach dem ersten oder zweiten Ei mit dem Brüten beginnen, schlüpfen die Jungtiere einer Brut zeitlich hintereinander gestaffelt. Auf diese Weise überlebt wenigstens ein Teil der Brut, wenn die Nahrungsbedingungen schlecht sind. Die schwachen Geschwister werden im Notfall sogar von den älteren gefressen. Dieser Kannibalismus bzw. Brudermord wird auch „Kainismus“ genannt und ist unter Greifvögeln sehr verbreitet.
Aufgrund ihres verschiedenen Gewichts unterscheidet sich bei Greifvögeln meist auch das Beutespektrum der Geschlechter deutlich. Wenn das Weibchen brütet oder die Jungtiere betreut, ist das Futter, welches das kleinere Männchen herbeischaffen kann, anfangs noch ausreichend. Mit zunehmendem Alter der Jungen jagen beide Partner; dann schafft das Weibchen die dann mittlerweile notwendige größere Futtermenge für die herangewachsenen Jungen herbei. Ein Habichtsweibchen kann eine ausgewachsene Auerhenne transportieren, wozu ein Habichtmännchen nicht mehr in der Lage ist. Es muss sich mit einer Ringeltaube begnügen.
Nahrung
Greifvögel wurden früher auch als Raubvögel bezeichnet. Lange Zeit wurden Greifvögel vom Menschen als Nahrungskonkurrenten wahrgenommen. Wegen ihres kräftigen Schnabels, der scharfe Schneidekanten und einer stark nach unten gebogener Reißhakenspitze („Reißhaken-Schneideschnabel“) wurden sie auch verächtlich als „Krummschnäbel“ bezeichnet. Man gönnte ihnen Hase oder Fisch nicht.
Sie erbeuten jedoch vor allem kranke oder schwache Tiere. Sie ernähren sich auch von Aas und säubern damit ihre Umwelt von Keimherden. Neben den Säugern sind es Greifvögel, die Aas für andere Tierarten erst essbar machen, da sie mit ihrem Schnabel in der Lage sind, die Haut der Beutetiere zu öffnen.
Weiterhin reduzieren Greifvögel Bestände von Tierarten, die für den Menschen bzw. dessen Nahrungsvorräte schädlich sind. Auch Ratten, die gefährliche Krankheiten übertragen können, stehen bei den meisten Greifvögeln auf dem Speiseplan.
Unverdauliche Nahrungsbestandteile wie Federn, Haare oder Insektenpanzer werden in Form von Speiballen (Gewölle) wieder ausgewürgt. Im Gegensatz zu den Eulen können Greifvögel Knochen größtenteils mitverdauen, da ihre Magensäure schärfer ist.
Natürliche Feinde
Greifvögel stehen an der Spitze der Nahrungskette und haben außer dem Menschen kaum natürliche Feinde. Der Uhu kann z. B. Mäusebussarde erbeuten oder bei Felsen in Brutplatzkonkurrenz zum Wanderfalken treten. Weiterhin bestehen zwischen einigen Greifvogelarten Konkurrenzbeziehungen (z. B. zwischen Habicht und Sperber). Waschbären können die Jungen der Greifvögel im Nest erbeuten.
Verhalten
Greifvögel sind gute Thermiksegler und können in der Luft stehen, indem sie mit ihren Flügeln rütteln. Andererseits sind sie Ansitzjäger, die von erhöhter Warte, z.B. einem Baum, Ausschau halten und in Deckung auf Beute lauern. Der Steinadler bringt wehrhafte, oft auch verhältnismäßig große Beute wie Gemsen durch einen geschickten Angriffsflug in Felshängen zum Absturz, damit auf einen möglicherweise gefahrvollen Zweikampf verzichtet werden kann.
Zur Bestimmung der verschiedenen Arten ist das Flugbild von entscheidender Bedeutung. Milane sind an ihrem gegabelten Stoß zu erkennen. Weihen zeigen den typischen, niedrigen Gaukelflug, während Turmfalken in der Luft rütteln und Bussarde in der Thermik kreisen. Fischadler machen Beutesturzflüge, bei denen das Wasser aufspritzt, während sich Seeadler mit einem Fuß aus dem flachen Flug heraus und ohne nass zu werden, einen großen Karpfen von der Wasseroberfläche greifen. Steinadler kommen urplötzlich aus einer großen Höhe herab, um in einem sich daran anschließenden Bodenkonturflug auf die ahnungslose Beute zu stoßen. Habicht und Sperber starten aus der Deckung heraus zu einem Überraschungsangriff. Die Jagdmethoden der Greifvögel sind so vielfältig wie die vorkommenden Arten und ihre ökologischen Nischen, die sie besetzen.
Tiere, die oft von Greifvögeln erbeutet werden, überwachen den Luftraum über ihnen oft über spezifische Verhaltensweisen. Murmeltiere äugen gezielt nach oben und achten auf Schattenwürfe, Gemsen mit ihren Jungen sichern ebenso regelmäßig nach oben in die Luft.
Befindet sich ein Greifvogel im Sturzflug, legt er seine Flügel an und vermindert dadurch Fluggeräusche, die die Beute warnen könnten. Dadurch erhöht sich die Geschwindigkeit, mit der er auf seine Beute zurast und damit auch der Überraschungseffekt.
Wohl alle Greife leben in Einehe, die oft auch das ganze Leben lang hält. Einige Arten wie Schwarzmilan, Rohrweihe und Geierarten, die sich von massenhaft auftretenden Kleinsäugern oder von Aas ernähren, bilden Brutkolonien. Die meisten Arten sind jedoch Einzelgänger, verteidigen ein Horst- und beanspruchen ein großes Nahrungsrevier. Deswegen ist die Siedlungsdichte, d.h. die Anzahl der Tiere pro km2 bei manchen Arten von Natur aus niedrig und abhängig von der Nahrungsspezialisierung. Der Bartgeier ernährt sich von Wildtieren, die verendet sind, und verzehrt u.a. deren Knochen. Um satt zu werden, benötigt er ein großes Nahrungsrevier und muss in der Lage sein, seine Beute gut zu orten.
Geier
Geier sind sehr große, kurzschwänzige Greifvögel. Kopf und Hals vieler Geierarten sind unbefiedert; dies stellt eine Anpassung an ihre Ernährung, z.B. die Fleischaufnahme an großen Kadavern, dar. Hätten sie Gefieder an Kopf und Hals, würde dieses bei einer solchen Nahrungsaufnahme stark verschmutzen. Ihre Schnäbel sind als sehr große und kräftige Spezialwerkzeuge ausgebildet, die dazu dienen, Fleisch von Knochen zu lösen. Mit ihren starken, aber nicht dolchförmig spitzen Krallen können sie auf der Beute Halt finden oder große Beutestücke gut transportieren. Geier sind vorwiegend Aasfresser. In Europa kommen vor allem Gänsegeier, Mönchsgeier und der Bartgeier vor.
Adler
Adler haben brettartig breite Flügel, mit denen sie sich unter Ausnutzung der Thermik in große Höhen schrauben können. Ihr breiter Schwanz ist für das Segeln hilfreich. Die Beine der Adler sind außer bei Seeadlern befiedert. Das Gefieder ist überwiegend braun bis schwarzbraun gefärbt. Sie haben einen im Vergleich zum Bussard längeren Hals. Im Jugendalter haben viele Adler auffällige weiße Gefiederpartien, insbesondere am Schwanz. Adlerhorste sind sehr große Gebilde aus Ästen und Reisig. Sie werden an schwer erreichbaren Stellen auf Felsen oder auf Bäumen gebaut. See-, Schell- und Steinadler sind die heimischen Vertreter der Adler.
Bussard
Der Bussard, der am häufigsten bei uns vorkommt, ist der Mäusebussard. Mäusebussarde sind individuell sehr verschieden gezeichnet. Innerhalb eines Gebiets können sowohl eher braune als auch sehr hell gefärbte Tiere vorkommen. Ihr Flugbild ähnelt dem des Adlers, wobei Bussarde natürlich erheblich kleiner sind. Sie kreisen häufig über ihrem Nahrungsrevier, wobei sie vor allem nach Kleinsäugern Ausschau halten. Häufig stellen sie sich gegen den Wind und verharren dabei segelnd auf einer Stelle. Auch den Rüttelflug beherrschen sie. In reich strukturierten, waldreichen Landschaften sind sie regelmäßig anzutreffende Brutvögel. Männliche und weibliche Bussarde sind etwa gleich groß. Ihr Ruf hört sich an wie das klagende „miau“ einer Katze. Neben dem Mäusebussard ist der Wespenbussard in Deutschland Brutvogel. Er ist etwas größer, hat einen längeren Schwanz, im Flugbild taubenartig einen vorstehenden Kopf und ist deutlich seltener als der Mäusebussard. Rund um den Schnabel, aber auch insgesamt ist er dicht und schuppig befiedert. Er hat kleine Augen ohne den sonst für Greifvögel typischen Überaugenschutz. Der Wespenbussard kann seine befiederten Nasenöffnungen verschließen und schützt sich damit, neben einem besonders derben Gefieder im Gesichtsbereich, gegen Insektenstiche. Er hat kräftige Scharrfüße, die viel geradere Krallen aufweisen als die der anderen Greifvogelarten. Mit diesen Krallen kann er Wespen- oder Hummelnester aus dem Boden holen. Als Wintergast tritt weiterhin der in Nordeuropa brütende Raufußbussard in Deutschland auf.
Weihen
Die in Deutschland vorkommenden Weihen sind die Rohr-, Korn-, Wiesen- und gelegentlich die Steppenweihe. Weihen sind schlanke, hochbeinige, etwa bussardgroße Greifvögel, die bevorzugt in offenen Feld-, Wiesen-, Moor- und Teichlandschaften leben. Wenn sie auf Beutesuche gehen, fliegen sie niedrig über die Vegetation hinweg. Sie sind sehr wendig und lassen sich schnell auf die einmal geortete Beute fallen. Im Flug halten sie ihre langen schmalen Flügel v-förmig nach oben, bei den meisten Arten wird der weiße Bürzel, d.h. die Oberschwanzdeckfedern, sichtbar. Weihen haben verhältnismäßig große Augen, mit denen sie auch in der Dämmerung gut sehen und jagen können. Ihr Gesicht wirkt durch einen eulenartigen Federschleier sehr breit. Die beiden Geschlechter sind verschieden gefärbt. Mit Ausnahme der Rohrweihe sind alle Weihenmännchen hellgrau und die Weibchen braun befiedert. Die Bestände von zwei der drei bei uns brütenden, heimischen Weihenarten sind stark gefährdet, da ihr Lebensraum verloren geht und ihre Gelegefeinde zunehmen. Weihen suchen im Herbst ihre südwestlich gelegenen Überwinterungsgebiete auf.
Habicht und Sperber
Habicht und Sperber haben sich sehr stark auf Beutetiere spezialisiert, die sich fliegend oder laufend in einer Landschaft mit vielen Versteckmöglichkeiten fortbewegen. Aus der Deckung heraus tauchen sie plötzlich auf, was ihre Beutetiere zur panischen Flucht veranlasst, sofern sie ihre Peiniger rechtzeitig entdecken. Habicht und Sperber haben kurze, abgerundete Flügel und einen langen Stoß, was ihnen einen schnellen und wendigen Flug ermöglicht. Der Habicht jagt gerne im Wald, aber auch in der offenen Landschaft. Selbst in Dörfern und Städten versteht er es, Brieftauben und Hühner zu erbeuten. Der Sperber verfolgt seine Beute, meist verschiedene Singvogelarten, noch in dichtem Gestrüpp, in Hecken und Bäumen. Regelmäßig sucht er besiedelte Gebiete mit Gärten und Parks auf.
Rotmilan und Schwarzmilan
Die beiden heimischen Milanarten sind Rotmilan und Schwarzmilan. Im Flugbild sind ein mehr (beim Rotmilan) oder weniger (beim Schwarzmilan) gegabelter Stoß sowie sehr große Schwingen zu sehen, die gute Voraussetzungen für einen Segelflug bieten. Ihre Schwingen winkeln sie im Handgelenk ab. Beide Arten ernähren sich u.a. von Aas: Sie lesen tote Fische von der Wasseroberfläche auf, besuchen Müllkippen oder versuchen, sich von totgefahrenen Tieren an Straßen zu ernähren. Anderen Greifvögeln jagen sie die Beute ab. Sie selbst haben relativ schwache Füße, mit denen sie nur kleine Tiere greifen können. Die Hauptnahrung des Rotmilans sind Regenwürmer und kleine Bodentiere. Milane fliegen dem Mähgerät oder dem Heuwender gezielt hinterher, um dabei anfallende Tierleichen zu erbeuten. Im Herbst ziehen sie nach Süden und folgen dabei den in Nord-Südrichtung fließenden Flüssen Rhein und Rhone, wobei sie die Alpen umgehen.