Schneelandschaften
Es gibt Lebensräume – die alpine Höhenstufe – in der über die Hälfte des Jahres Schnee liegt und die maßgeblich vom diesem beeinflusst wird. Die Eigenschaften der Schneedecke bestimmen die Zusammensetzung alpiner Ökosysteme und die darin ablaufenden Prozesse maßgeblich mit.
Trotz Kälte, starker UV-Strahlung und einem sehr begrenzten Angebot an Nährstoffen findet man Leben in der Schneedecke: Algen, Bakterien, Pilze, Rädertiere, Würmer und Spinnen. Die Algen – die Primär-Produzenten – betreiben Photosynthese. Das heißt, dass sie, wie Pflanzen nur Sonnenlicht, CO2, Wasser und einige weitere Nährstoffe brauchen, um organisches Material zu produzieren. Ohne Algen wäre daher kein Leben in der Schneedecke möglich, da sich die anderen Organismen von ihnen ernähren.
Nur wenige Tierarten haben sich auf Schneelebensräume spezialisiert. Hierzu zählt der Gletscherfloh, ein 2 mm langer Springschwanz. Gletscherflöhe treten manchmal in großen Scharen auf und sammeln sich gerne in Vertiefungen der Schneedecke, wie z.B. Fußstapfen. Zur Eiablage wandern sie zu den Moränen am Rande von Gletschern und Firnfeldern (Altschneefeldern).
Schneetälchen, Schneeböden
Flächen, auf denen mindestens sieben bis zehn Monate lang Schnee liegt oder der Schnee in manchen Jahren ganzjährig liegen bleibt, werden von der Pflanzengesellschaft der Schneeböden oder Schneetälchen besiedelt. Diese meist kleinen Flächen sind vom Schneeschmelzwasser ständig durchnäßt und liegen häufig in kleinen Mulden. Der Schnee bringt Dünger in Form von Staub und löslichen Mineralien mit, der von der Luft herangetragen wird und sich über den Winter ansammelt.
Vor allem krautige Weidenarten können sich hier durchsetzen. Auf Silikatböden wachsen Krautweiden und auf Kalkböden die Gletscherweide. Nur wenige andere Pflanzen können die besonderen Standortbedingungen dieser Flächen tolerieren, z.B. Blaue Gänsekresse, Kleiner Enzian, Alpen-Hahnenfuß, Alpen-Ruhrkraut, Mannsschild-Steinbrech und Clusius‘ Primel.
Die Pflanzen der Schneebodenstandorte entwickeln sich meist schon im Frühjahr unter der Schneedecke und durchbrechen diese teilweise mit ihrer Blüte. Im Extremfall stehen für die reine Vegetationsszeit nur wenige Wochen zur Verfügung. Da Schneeflecken üblicherweise von außen nach innen wegschmelzen, siedeln sich hier auch von außen nach innen Arten an, die, je weiter innen sie wachsen, immer stärker an den Schneeeinfluss angepasst sind. Eine typische Abfolge von Pflanzen auf Silikatstandorten von außen nach innen wäre Krautweide, Alpenschaumkraut, Zwerg-Ruhrkraut, Zweiblütiges Sandkraut und Widertonmoos.
Schneeböden sind im Vergleich zu den sie umgebenden Flächen mit kürzerer Schneebedeckung deutlich artenärmer. Da aber beim Präparieren von Skipisten der Schnee stark verdichtet wird, bleibt auch hier die Schneedecke deutlich länger liegen als das natürlicherweise der Fall wäre. Als Folge davon findet auch bei Hochgebirgswiesen eine Artenverarmung statt.
Flora der nivalen Stufe
Die nivale Stufe (vgl. Vegetationsstufen) bezeichnet die oberste Vegetationsstufe in den Alpen. Als Grenze zwischen der alpinen und nivalen Stufe gilt die „klimatische Schneegrenze“. Dies ist eine (theoretische) Höhenlinie, ab der auf viele Jahre hin betrachtet durchschnittlich mehr Schnee fällt als abschmilzt. Würde es sich bei dem betroffenen Gelände um ebene Flächen handeln, wären diese Bereiche permanent mit Schnee bedeckt. In den Alpen ist das Geländeprofil jedoch oft so steil, dass hier kein Schnee liegen bleiben kann und somit die Schneegrenze nicht erkennbar ist. Der Höhenunterschied von der Waldgrenze bis zur klimatischen Schneegrenze beträgt durchschnittlich etwa 800 bis 900 m.
In der nivalen Stufe können Pflanzen nur schwer überleben. Die Temperaturen sind zu niedrig und die Vegetationsdauer zu kurz. Nur noch wenige Blütenpflanzen wachsen so hoch oben, z.B. der Gletscherhahnenfuß. An Graten und Felswänden finden sich außerdem Moose und Flechten. Flechten sind anspruchsloser als Blütenpflanzen und können direkt an Felswänden wachsen. Sie sind nicht auf Erdreich angewiesen und können Zeiten ohne Regen als Trockenform mit fast stillgelegtem Stoffwechsel überdauern. Sie ertragen sowohl extrem tiefe als auch extrem hohe Temperaturen (vgl. Felsen).
Schneealgen
An vielen Stellen färbt sich im Frühsommer die Schneeoberfläche dunkelrot. Dies lässt sich zurückführen auf die saisonale «Wanderung» von Schneealgen (Chlamydomonas nivalis ). Damit die Algen mittels Photosynthese Energie produzieren können, brauchen sie Licht und eine optimale Temperatur von 0°C. Deshalb wandern sie bei einsetzendem Tauwetter vom Boden an die Schneeoberfläche. Wie das vor sich geht, ist noch nicht genau bekannt. Die rote Farbe bildet einen Schutz gegen die UV Strahlung. Ohne die roten Pigmente, die wie Sonnencreme wirken, würden die Algen von der Sonne verbrannt. Die Sporen der Schneealgen können sehr tiefe Temperaturen überleben (-196°C) und jahrelang im Ruhestand verharren.
Manchmal ist der Schnee auch rötlich bis gelblich gefärbt. In diesem Fall handelt es sich dann nicht um die Färbung durch eine Pflanze, sondern möglicherweise um Saharastaub. Bei speziellen klimatischen Bedingungen, insbesondere günstiger Windrichtung, kann feinster Staub und Sand aus der Sahara bis in die Alpen gelangen und bildet dort einen feinen, sichtbaren Überzug auf Schnee und Gletschern.
Wintersport
Der Mensch betritt Schneelandschaften beim Pistenskilauf, Langlauf, Snowboarden, Skibergsteigen und Schneeschuhgehen sowie bei der Nutzung von Hundeschlitten und Schneemobilen. Betrachtet man nur die auf dem Schnee vorkommenden „Lebensräume“ ist eine direkte Schädigung durch die Sportarten auszuschließen. Die Beschneiung und Präparation der Pisten hat jedoch Auswirkungen auf die darunter liegende Vegetation (vgl. Hochgebirgswiesen). Die indirekte Beunruhigung von Tierlebensräumen durch Pistenbetrieb und Wintersport geht außerdem weit über die direkt genutzten Flächen hinaus.